Der Nikolaus schwebt im Rettungskorb der Drehleiter (2023) über den Zuschauern. | zur StartseiteBlick über den Pritzwalker Weihnachtsmarkt zum Rathaus. Foto: Beate Vogel | zur StartseiteBahnschiene bis zum Horizint bei Falkenhagen. | zur StartseiteDächer der Altstadt von Pritzwalk mit einer dünnen Schneedecke. | zur StartseiteBäume am Ufer des Altesn Sadenbecker Speichers spiegeln sich im Wasser. | zur Startseite
 

Jahrzehnt der Umbrüche

Mit den 1990er Jahren brach auch in Pritzwalk eine ganz neue Zeit an. Wohl in keinem Jahrzehnt in der jüngeren Zeit wandelte sich die Stadt so wie in diesem. Ohne die vorangegangene politische Wende wäre das so sicher nicht möglich gewesen. Am 6. November 1989 hatten sich rund 2000 Pritzwalkerinnen und Pritzwalker unter dem „Neuen Forum“ in der Sankt Nikolaikirche versammelt und waren später durch die Innenstadt gezogen.

Das Rathaus um 1990 - ein historische Postkarte. Quelle: Museum Pritzwalk
Mit der Wende begann für Pritzwalk eine turbulente Dekade

Frust über die Unfreiheit des politischen Systems in der DDR, aber auch die schlechten Wohnverhältnisse, die Bevorzugung von SED-Genossen und die allgemeine Versorgungslage waren Grund genug für die Menschen, sich zu versammeln. Die Dienststelle der Staatssicherheit in der Bahnhofstraße, Symbol für das Unrecht des DDR-Staates in Pritzwalk, wurde friedlich von Protestierenden besetzt.

Der "Runde Tisch" traf sich 1989 auch in Pritzwalk. Quelle: Museum Pritzwalk
Freie Wahlen, lange Schlangen

In Pritzwalk traf sich ab dem 18. Dezember der „Runde Tisch“, um die Lage in der Stadt zu diskutieren. Am 6. Mai 1990 – ein Jahr nach dem letzten viel kritisierten „Zettelfalten“ der Kommunalwahl 1989 – fanden in Pritzwalk die ersten freien Wahlen seit der Zeit der Weimarer Republik statt.

Ab Mitte des Jahres gab es in der Stadt lange Schlangen vor den Banken zum Umtausch der DDR-Mark. Im Oktober des Jahres wurde formell die deutsche Wiedervereinigung vollzogen. Pritzwalk begründete die bis heute bestehende Partnerschaft mit dem niedersächsischen Winsen (Luhe).

Erotikshop in der Parkstraße, aufgenommen 1996. Quelle: Museum Pritzwalk
Die Bevölkerung zog weg

Zur Euphorie des Aufbruchs und der neuen Möglichkeiten kamen bald auch die Sorgen und Ängste des wirtschaftlichen Bruchs bei der Öffnung der Märkte und der Privatisierung des „Volkseigentums.“ Vorzeigebetrieben der Stadt wie dem Zahnradwerk fielen plötzlich die Aufträge weg. Von 1330 Zahnradwerkern mussten fast alle bis auf 208 in kurzer Zeit gehen. Die Pritzwalker Großbäckerei, einer der ersten neu angesiedelten Betriebe der DDR-Zeit, wurde aufgelöst. Die Zukunft zahlreicher anderer Betriebe wie der Pritzwalker Brauerei war in Frage gestellt. Arbeitslosigkeit und andere schmerzhafte Einschnitte machten sich in Pritzwalk breit.

Viele suchten anderswo eine neue Arbeit. Schon in den 1980er Jahren stagnierte die Bevölkerungszahl. Durch die Umbrüche nach der Wende und die hohe Arbeitslosigkeit zog es viele Pritzwalkerinnen und Pritzwalker in die Ferne. Im ersten Jahrzehnt nach der Wende verlor Pritzwalk gut 1000 Einwohner. Immerhin blieb die Stadt von massiven Verlusten wie Wittenberge verschont.

Hochwasser im Sommer 1993, hier an der Tuchfabrik. Foto: Peter Duchrau
In der Putlitzer Straße hatte das Wasser die Straße aufgerissen. Foto: Peter Duchrau
Hochwasser brachte 1993 große Schäden

Neben den wirtschaftlichen und sozialen Umbrüchen schlug in Pritzwalk 1993 auch die Natur zu. Nach sintflutartigem Regen wurden am 12. Juni die sonst eher beschauliche Dömnitz und die unscheinbare Rodane innerhalb weniger Stunden zu reißenden Flüssen. Pritzwalks Straßen verwandelten sich in Wasserflächen und raus ging es nur noch mit Gummistiefeln. Viele Keller der Stadt waren komplett vollgelaufen.

 

Die Schäden waren enorm. Im Bereich der Havelberger und der Putlitzer Straße wurden die Fahrbahn und die Brücken schwer in Mitleidenschaft gezogen. Als die Fluten sich zurückzogen, klafften tiefe Löcher in den unterspülten Bereichen. Für viele Häuser im Bereich der Dömnitzinsel kam in der Folgezeit der Abriss. Nachdem die historische Bausubstanz in der DDR-Zeit wenig gepflegt worden war und viele Gebäude sich im desolaten Zustand befanden, brachten Wasser und Leerstand das Ende.

1995 und 1996 wurde unter anderem der Marktplatz ganz neu gestaltet und bekam seinen großen Findlingsbrunnen. Quelle: Stadt Pritzwalk
Rege Bautätigkeit begann

Bereits zu Beginn der 1990er Jahre hatte eine intensive Umgestaltung der Stadt eingesetzt. Die ehemalige Hefefabrik und Brennerei in der Marktstraße wurden abgerissen – sie gehörten zu den markanteren Gebäuden in dem Bereich. Der Industriekomplex in der Stadtmitte wich dem neuen Geschäftsgebäude der Volks- und Raiffeisenbank. Dieses wurde als einer der ersten größeren Neubauten Pritzwalks nach der Wende eröffnet.

Rathaus und prägende Gebäude wurden ebenfalls bals grundlegend saniert. Quelle: Stadt Pritzwalk
Verwaltungsbereiche zogen weg

Im Dezember 1993 trat die Kreisgebietsreform in Kraft. Der Kreis Pritzwalk hörte auf zu existieren und ging im neuen Landkreis Prignitz auf. Viele Verwaltungsbereiche zogen nach Perleberg. Das Verwaltungsgebäude der Tuchfabrik, lange noch als „Rat des Kreises“ bekannt, wurde leergezogen. Im gleichen Jahr wurde Schönhagen in das Pritzwalker Stadtgebiet eingegliedert. 2002 dehnte sich das Verwaltungsgebiet Pritzwalks mit der Auflösung des Amtes Pritzwalk-Land auf die heutige Größe aus. Lars Schladitz