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Ein Rad greift ins andere

Das Pritzwalker Zahnradwerk beschäftigte zu seinen besten Zeiten 1300 Mitarbeiter. Quelle: Edeltraut Pawelka

Vom Agrarstädtchen zum industriellen Zentrum: Pritzwalk, seit der Schließung der Tuchfabrik 1945 eher durch kleinere Betriebe und Landwirtschaft geprägt, war als Kreisstadt im Bezirk Potsdam für ein industrielles Zentrum vorgesehen. So beschlossen es die Delegierten auf dem VII. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands im April 1967 in Berlin.

 

Industrialisierung nach Plan

Nach den Planungen der Staatlichen Plankommission der DDR sollte ab den späten 1950er Jahren eine umfassende Industrialisierung des überwiegend landwirtschaftlich geprägten Nordteils der Republik vorgenommen werden. Die Konsum-Großbäckerei und die Wartungsstation für Traktoren machten den Anfang in der industriellen Landschaft der Stadt. Bis dato war das Areal im Osten landwirtschaftlich geprägt gewesen. 

 

1968 und 1969 wurde der Großbetrieb an der Freyensteiner Chaussee errichtet. Quelle: Hermann Lemcke
Modernstes Getriebewerk

Mitte der 1960er Jahre rückten die Baumaschinen für die umfassende industrielle Neuentwicklung Pritzwalks an. Der geplante „VEB Getriebewerk Pritzwalk“ sollte als „modernstes Getriebewerk Deutschlands“ entstehen, wie die Kreisseite der damaligen „Märkischen Volksstimme“ im April 1967 euphorisch berichtete.


Zur Produktionsanlage sollte noch eine Reihe von zusätzlichen Einrichtungen gehören: Eine Küche mit Speisesaal, ein Wasserwerk, ein Kesselhaus, 136 Wohneinheiten, eine Schule, ein Kindergarten und eine Kinderkrippe. Es entstand ein komplett neuer Stadtteil eigens für die Mitarbeiter des Betriebes.

Die feierliche Eröffnung des ersten Teils des Betriebes erfolgte 1968. Quelle: Märkische Volksstimme
Die Eröffnungdes ersten Teils folgte 1968

Auch alte Industriestandorte wurden umgebaut. In der ehemaligen Tuchfabrik Gebrüder Draeger, die zwischenzeitlich als Getreidelager gedient hatte, wurde der Ausbildungsbetrieb des neuen Werkes untergebracht. Am 1. August 1968 wurde der erste Teil des neuen Werkes eingeweiht. Die „Märkische Volksstimme“ sah darin einen historischen Höhepunkt: „Mit diesem Tag wird die Strukturwandlung unseres Kreises vom Agrarkreis zum Agrar-Industriekreis unter sozialistischen Gesellschaftsverhältnissen in der Praxis vollzogen.“

Ferienheim für die Mitarbeiter

Der Betrieb war in das Magdeburger Kombinat Getriebe und Kupplungen eingegliedert. Der VEB Wissenschaftlich-Technisches Zentrum des „Getriebe und Kupplungen Magdeburg“ widmete dem Aufbau des VEB Zahnradwerk Pritzwalk zum 20. Jahrestag der Gründung der SED eigens einen Film: „Ein Rad greift ins andere“ (www.zahnradwerk.com). Die Belegschaft wuchs von 800 Beschäftigten im Jahr 1969 auf 1340 im Jahr 1989.

Produktionsanlage in den 1970er Jahren. Quelle: Märkische Volksstimme

Am Plauer See stand den Zahnradwerkern und ihren Familien ein Ferienheim zur Verfügung. Neben den Kupplungsteilen und Zahnrädern wurden im Werk ganz im Sinne der DDR-Politik auch Konsumgüter von Leuchten bis zu Couchtischen und Vogelkäfigen produziert. Bis Ende der 1970er Jahre wurde im Werk die erste moderne Großrechenanlage der Stadt installiert.

 

Die gesamte Stadtbevölkerung wuchs

Auch in der Bevölkerungsentwicklung Pritzwalks machte sich die neue Industrialisierung bemerkbar. Das Kernstadtgebiet wuchs bis 1981 auf ein Allzeit-Hoch von 12 400 Einwohnern. Mit Hainholz-Schwimmbad, Kulturhaus und Bibliothek entstanden parallel zum Ausbau des Zahnradwerkes eine Reihe stadtprägender Kulturbauten. Als Plattenbausiedlung Pritzwalk Nord wurde ein weiterer neuer Stadtteil errichtet.


Bis heute sind die Spuren dieser Phase überall in Pritzwalk zu finden. Nach der Umwandlung des Zahnradwerkes in eine GmbH schrumpfte die Zahl der Beschäftigten enorm. Das wirkte sich auf die Einwohnerstärke der Stadt aus: Viele Familien zogen aus Pritzwalk weg und suchten sich anderswo Arbeit. Lars Schladitz

Die Werkhalle Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre. Quelle: Clauss