Die Geschichte hat geprägt - die Bahnhofsexplosion 1945
Zum Gedenken an das Kriegsende 1945
Der 15. April 1945 war ein Sonntag. Ein im Pritzwalker Bahnhof abgestellter Munitionszug geriet durch einen Fliegerangriff in Brand und explodierte. Die Katastrophe hinterließ in der Stadt eine nicht mehr zu schließende Wunde. Die Zerstörungen im Bahnhofsareal erfassten insbesondere das historische Bahnhofsgebäude und das voll besetzte Kino am Bahnhof. Bis in mehrere 100 Meter Entfernung wurden Häuser zerstört.
Mehr als 200 Todesopfer wurden in der Stadt verzeichnet, darunter viele Opfer im Kino, die sich dort die Sonntagsvorstellung ansahen. Friedrich Schein, einer der Lokführer, hatte noch versucht, den Zug aus der Gefahrenzone zu bewegen. Auch er ließ bei dem Unglück sein Leben. Sein Sohn Kurt war als einer der Autoren aktiv, welche später das Kriegsende in verschiedenen Publikationen aufgearbeitet haben. Die Geschichte hat das Gedenken Pritzwalks an das Kriegsende nachdrücklich geprägt.
Bis heute wird gesammelt
Insbesondere seit den 1990er Jahren konnten zahlreiche Selbstzeugnisse und Augenzeugenberichte von den letzten Tagen des Krieges im Museum gesammelt und in den Ausgaben der „Illustrierten Geschichte Pritzwalks“ von Rolf Rehberg und Wolfgang Simon veröffentlicht werden.
Zum Gedenkjahr 2015 – 70 Jahre Bahnhofsexplosion – kamen weitere Geschichten hinzu, welche im Themenheft Nr. 16 der „Pritzwalker Heimatblätter“ zusammengefasst werden konnten. Diese werden von der Gesellschaft für Heimatgeschichte herausgegeben.
Das Museumsarchiv sammelt nach wie vor neue Berichte. Besonders die Pritzwalkerinnen und Pritzwalker, die die Ereignisse im Kindesalter erlebt haben, schreiben ihre Erlebnisse zunehmend nieder. Die Explosion am Bahnhof, Erlebnisse der Besatzungszeit und die Erfahrung von Mangel und großer Not spiegeln sich darin wider.
Stets in Erinnerung
Die Bahnhofskatastrophe und die Verwüstungen im Stadtgebiet sind hier stets in Erinnerung geblieben. Die Munition auf dem Zug, Raketen aus dem „Vergeltungswaffen“-Programm der Nazis, war bis März 1945 im Konzentrationslager Mittelbau in Thüringen unter unmenschlichen Bedingungen von Zwangsarbeitern in unterirdischen Stollen gefertigt worden.
Sprengung war geplant
2020 vermutete der Autor eines Artikel in der „Volksstimme“, der verhängnisvolle Pritzwalker Zug könnte wenige Tage zuvor beinahe eine ähnliche Katastrophe andernorts ausgelöst haben. Am 11. April 1945, also vier Tage vor der Explosion in Pritzwalk, war ein Munitionszug durch das sachsen-anhaltinische Wolmirstedt gefahren.
Da dieser nicht den anrückenden alliierten Truppen in die Hände fallen sollte, war vor Ort eine Sprengung des Zuges durch die SS geplant gewesen. Wolmirstedt konnte dem Ereignis durch das Eingreifen von Einwohnern und Lokführern entkommen (Gudrun Billowie: Was ein Lokführer Wolmirstedt 1945 ersparte; in: „Volksstimme“, 1. September 2020). Der Zug fuhr nach Norden, wo er auf dem Pritzwalker Bahnhof stehen blieb.
Seit 1948 ein Ehrenfriedhof
Am Abend des 2. Mai 1945 kamen sowjetische Truppen aus südlicher Richtung über Buchholz in die Stadt und besetzten diese. Die sowjetische Kommandantur wurde in der ehemaligen Landwirtschaftsbank in der Havelberger Straße, später Poliklinik, eingerichtet.
Zum Gedenken wurden 1948 auf dem Bürgerplatz der sowjetische Ehrenfriedhof, das Mahnmal für die kommunistischen Häftlinge sowie einen Gedenkstein. Zu DDR-Zeiten wurde das Areal regelmäßig für größere Gedenkveranstaltungen mit uniformierten Aufmärschen verwendet, in denen das Opfer der sowjetischen Soldaten bei der Befreiung vom Hitler-Faschismus im Vordergrund stand. Lars Schladitz